Taymur Streng am KORG MS10

R.I.P. Taymur

* 06.1962  ;  † 04.2022

Kunstkopf

Tonbandmaschinen aus den 60er Jahren

Meine andere Band (seit 1995)

Dirk Specht - Elektronik
Manfred Machlitt - Elektronik, Geige
Patrick Laschet - Elektronik, Perkussion
Taymur Streng - Elektronik


Wir waren uns unserer Töne immer sicher!


Stereotype I. (U), MC (1996), Eigenproduktion

Kunstkopf - Stereotype I. (U) - MC-Cover


Die Titel sind Mitschnitte aus Konzerten im Anorak, Eimer, Tacheles, B-Movie
(Berlin, Hamburg - 1996)


C - 50


7 Stücke, CD (1998), Eigenproduktion

Kunstkopf - 7-Stücke - CD-Cover


  • 0107:22
  • 0209:13
  • 0309:33
  • 0407:54
  • 0506:25
  • 0604:39
  • 0710:35

07 Live-Mitschnitt, Podewil, Berlin - 1998


7 Stücke '95 - '99 live und studio, LP (2002), OnOff Rec.

Kunstkopf - 7-Stücke 95-99 - LP-Cover


1-01 - masterix
1-02 - 'außer einem'
1-03 - masterix

2-04 - zoetrop
2-05 - zoetrop
2-06 - metrobeat
2-07 - 'mutter'


7 Stücke / 1998, LP (2023), Edition Telemark

Kunstkopf - 7 Stücke / 1998 - LP-Cover


1-01 - 07:24
1-02 - 08:52
1-03 - 09:32

2-04 - 07:55
2-05 - 06:24
2-06 - 04:39
2-07 - 10:36

Im Frühjahr 1995 gründeten in Berlin Manfred Machlitt, Dirk Specht und Taymur Streng gemeinsam die Formation Kunstkopf und die Gruppe gab als elektroakustisches Trio bald danach ein erstes öffentliches Konzert in der Galerie MUTZEK (Invalidenstraße 31 / Mai 1995). Für das nächst darauf folgende Konzert im ANORAK (Duncker Straße 14 / Oktober 1995) hatte sich die Gruppe dann schon mit Patrick Laschet auf Quartett-Format erweitert. Kennengelernt hatten sich die Gruppenmitglieder allerdings bereits vier Jahre zuvor beim First Electronic Arts Syndrom (WMF / Botschaft e.V. / September 1991), wo Taymur Streng und Manfred Machlitt gemeinsam als Duo auftraten, Taymur Streng desweiteren auch mit seiner Dark-Wave-Band „Neun Tage“ spielte und Patrick Laschet sowie Dirk Specht als Bandmitglieder von „40 Sekunden ohne Gewicht“ ebenfalls einen Konzertauftritt hatten. Taymur Streng und Manfred Machlitt entstammen dem Elektronik-Underground Ostberlins, wie sie ebenso auch Kontakte zur E-Musik-Avantgarde hatten, bspw. zum Elektroakustischen Studio der Akademie der Künste (Ost). Patrick Laschet und Dirk Specht entstammen ursprünglich der Post-Industrial-DIY-Kassetten-Szene Westdeutschlands, lebten damals aber schon seit einiger Zeit in Westberlin. Konstitutiv für die Gründung von Kunstkopf waren das gemeinsame Interesse an den vielfältigen Erscheinungsformen elektronischer wie experimenteller Musik und die Neugier auf einen gegenseitigen musikalischen Austausch, gemeinsame Soundexperimente, soziokulturelle Perspektivwechsel und der Wunsch, widerborstige, schräge bis kantig schroffe, gleichzeitig herausfordernde wie packende, „non-funktionale“, elektronische Musik zu produzieren. Dabei agierte Kunstkopf „live“ ausschließlich als Improvisationsensemble. Die Gruppe entwickelte somit für sich kein spezifisches Stücke-Repertoire und es wurde vollständig auf Proben verzichtet, weil sich schnell herausgestellt hatte, dass dergleichen Vorgaben oder Anforderungen der Gruppendynamik wie auch dem erwünschten „richtungsfreien“, bisweilen „erratischen“ Charakter der „Live-Situation“ gänzlich zuwider liefen. Andererseits verstand sich die Gruppe trotzdem nicht als loser Verbund von Instrumentalisten eines Freie-Improvisation-Kollektivs, wie überhaupt die Frage nach einer grundsätzlichen Positionierung der einzelnen Mitglieder zwischen Musiker, Studiofrickler, Gerätearbeiter, Komponist, Soundenthusiast, Musikautodidakt, Klangbastler und Tontechniker zumeist unauflösbar blieb. Für die Live-Konzerte von Kunstkopf war jedoch die spezifische Unwägbarkeit, respektive Unvorhersehbarkeit einer solchen Form von „Echtzeitmusik“ ein grundlegend charakterisierendes Merkmal, auch wenn die Gruppe tatsächlich nicht zum Kreis der sich unter diesem Begriff gerade etablierenden neuen Musikszene Berlins gehörte. Dafür gab es mutmaßlich doch zu starke ästhetische oder programmatische Differenzen. In einer späteren Phase erweiterte sich Kunstkopf zwischenzeitlich noch einmal um ein zusätzliches Mitglied, Michael Sterk stieg als Drummer während der Jahre 2001-2003 ein. Es wurde die am weitesten „krautrockige“ Phase der Gruppe und brachte Kunstkopf erneut auf die MS Stubnitz (Rotterdam / August 2001). Bereits im Februar 1996 hatte Kunstkopf schon einmal im Rahmen des „7 MULTIACTS-Festivals“ (eine Exkursion mit der Eimer-Crew) in Rostock auf der MS Stubnitz gastiert und dabei Bibiena Houwer kennengelernt; ein Treffen, welches später (1997) zu einer Zusammenarbeit bei dem Theaterprojekt „eXTRaSeNSe – Die Vorhersage“ (Schloss Bröllin) führte. Durch eine Teilnahme am Berliner Musikwettbewerb METROBEAT 1995/96 konnte Kunstkopf nachfolgend über einen kürzeren Zeitraum (4 Tage) im senatsgeförderten Masterix-Studio (Marzahn) einige Tracks aufnehmen (1996). Die Gruppe entschied sich aufgrund der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit (inkl. Mischung und Postproduktion) für ein „Live-im-Studio“ Session-Recording, dessen Resultate später teilweise auf der LP „7 Stücke–‘95-‘99/live & studio“ veröffentlicht wurden (On/Off Records 2001). Bedingt durch die dabei gemachten Erfahrungen und einen kritischen Blick auf die erzielten Ergebnisse entschied sich die Gruppe im Anschluss, eine neue Album-Produktion in Eigenregie anzugehen. Dieses neue Recording-Projekt, welches per vorliegender LP „7 Stücke / 1998“ nun mit 25 Jahren Zeitversatz endlich veröffentlicht werden konnte, fand in der Wohnung (Jablonskistraße 28) eines Bandmitgliedes statt und erstreckte sich in dessen Privatstudio über einen Zeitraum von knapp 2 Jahren (inkl. Pausen), was zu Beginn der Aufnahmen sicher keins der Mitglieder von Kunstkopf vermutet hätte. Die Studioarbeiten fanden unter Nutzung eines Harddiskrecordingsystems statt und beinhalteten klassische Mehrspuraufnahmen, unterschiedliche Mikrofonierungstechniken, Overdubbing, Softwareprogrammierung sowie eine umfangreiche Postproduktionsphase. Die Gruppe nutzte dafür eine Vielzahl an digitalen und analogen Klangerzeugern und neben unterschiedlichsten Instrumenten auch zweckentfremdete Haushaltsobjekte. Zu hören ist insbesondere auch ein alter Bechstein-Flügel, das Original-Instrument von Hanns Eisler, welcher später in den Besitz des Schauspielers und Sängers Ernst Busch überging und den Manfred Machlitt in den 1980er Jahren vor der Verschrottung rettete. Kunstkopf verwendete diesen Flügel auf den Aufnahmen als Resonanzraum, präpariertes Klavier und „inside-piano“. Weiterhin kamen neben einer stark verfremdeten Violine, eine E-Gitarre, mit einem Bogen angestrichene Kristallschalen, Glasglocken, selbstgebaute Metallobjekte, Holzmaterialien, ältere Drumcomputer, Gongs und andere Perkussionsinstrumente zum Einsatz. Analoge Synthesizer wie VCS-3, CS-30, MS-20, A-100-Modularsystem finden sich ebenso wie Wavestation, Prophecy, Emax II, VSS-30, Max-Patches, Metasynth, Soundhack, Cloudgenerator (etc.) und eine ganze Palette an Effektgeräten. Es ging der Gruppe dabei um einen Sound-Pluralismus, eine Vielfalt möglichst kontrastreicher Klangfarben, organisierte Fülle statt Leere, nicht um Sound-Purismus, Minimalismus oder gar Reduktionismus! Die abschließende Endbearbeitung der Stücke 1 bis 6 konzentrierte sich auf das erste Halbjahr 1998. Stück 7 entstammt der Liveaufnahme eines Auftrittes in der damaligen Konzertreihe „SAMPLING RAGE“ im PODEWIL (Januar 1998). In dieser vor 25 Jahren entstandenen Aufnahme sind deutlich die „digitalen Krähen“ von Taymur Streng herauszuhören, schon damals abgründige, kommende Zeiten ankündigend, wie es aus heutiger Sicht zurückblickend erscheint. Aktuell ist für uns nicht mehr rekonstruierbar, warum die vorliegende Produktion damals (1998/1999) nicht erschienen ist – sicher spielte die ökonomische Situation dabei aber eine Rolle. Wir möchten deshalb Alexander Meyer (Edition Telemark), Henryk Gericke (tapetopia) und Sven Schippling, sowie allen weiteren Unterstützer*innen sehr herzlich dafür danken, dass sie es ermöglicht haben, dieses Album 2023 zu veröffentlichen. Es ist als Jahresgedenken Taymur Streng gewidmet, dessen völlig unerwarteter und verstörender Tod (April 2022) uns sehr getroffen hat.