Guatemala


Nach einer fast 4 stündigen Fahrt auf dem Dach eines Busses, über eine endlos wirkenden, unbefestigten Straße, übersät von riesigen Schlaglöchern, endete diese mit leichtem Muskelkater und einigen Hautabschürfungen in der kleinen nordguatemaltekischen Stadt Flores. Der von hier aus organisierte Besuch der bedeutendsten Städte der klassischen Maya-Periode Tikal war mehr als nur beeindruckend. Bis zu 64m hohe Tempel-Ruinen, Akropolen, Terrassen, Aquädukten, Plätzen und zahlreichen Stelen.

Ganz anders aber ebenso reizvoll, die touristische Hauptattraktion im zentralen Hochland Guatemalas, die erste Hauptstadt der spanischen Kolonien in Zentralamerika – Antigua. Ein koloniales Stadtbild mit Sichtweite zum nahegelegenen, aktiven Vulkan Agua.

Entgegen der angenommenen Selbstverständlichkeit, einen der besten Kaffees der Welt genießen zu dürfen, zeigte sich der Genuss des weltbekannten Atitlán-Kaffees als ein unglaublicher Reinfall. Serviert wurde eine Tasse heißes Wasser mit einem Teelöffel wasserunlöslicher Kohlestückchen.
Vielleicht war aber auch nur die Wahl der Gaststätte der Fehler.
Die Besteigung und ein erfolgreiches Nachtlager auf dem Vulcan San Pedro am Lago de Atitlán war dagegen eine Bereicherung mehrerer Rezeptoren.

Ein unbedingtes Muss, ist der Besuch des an jedem Donnerstag und Sonntag stattfindenden Marktes vor und auf den Treppen der Kirche Santo Tomás in Chichicastenango. Eine nie erlebte Flut an Farben, Gerüchen und Geräuschen. Nicht weniger interessant sind die Prozessionen und Riten rund um und in der auf dem Sockel alter Maya-Tempeln erbauten Kirche. Leicht schlafenden Menschen kann ich allerdings nur Abraten von einer Übernachtung in der zu Recht liebevoll benannten Stadt Chichi. Gewöhnungsbedürftig sind eben die mit Schwarzpulver gefüllten, selbstkonstruierten Raketen, die ganz früh am Morgen und ganz spät in der Nacht zur schnelleren Erhörung des jeweiligen, individuellen Gebets in den Himmel geschossenen werden.

Bei der 2-wöchigen Auffrischung und Erweiterung meiner Sprachkenntnisse zur erfolgreichen Verständigung bei den alltäglichen Bedürfnissen auf meiner fortzusetzenden Reise in einer Spanisch-Schule in Quezaltenango, habe ich einen tieferen Einblick in die guatemaltekische Kulturgeschichte gewinnen können.
Die Escuela de Español I.C.A. (Instituto Central America) ist eine der zahlreich vertretenen Non-Profit-Sprach-Schulen, die durch ihre, am Wochenende stattfindenden, von größtenteils ausländischen Volontären unterstützenden Hilfsprojekten in den umliegenden Siedlungen und Dörfern, in vielerlei Hinsicht die indigene Bevölkerung unterstützt.
Dazu zählen unter anderem die Aufforstungsprojekte und der Bau von Steinöfen zur drastischen Reduzierung des Holzverbrauchs, der Aufbau und Erhalt von Schulen in der Hochebene zur Reduzierung des Analphabetismus und die Unterstützung der Textilhersteller von den farbenprächtigen Maya-Trachten. Jede Gemeinde in Guatemala grenzt sich insbesondere durch diese Trachten von anderen Dörfern ab und gilt auch heute noch als wesentliches Identifikationsmittel.
Ein Großteil der Bevölkerung Guatemalas sind die Nachkommen der Maya und jede Maya-Gemeinde hat ebenfalls ihren eigenen Heiligen. Persönlich kennenlernen durfte ich jenen San Simon, den Heiligen des Dorfes Zunil. Er wird wöchentlich von Haus zu Haus gereicht, ganz nach den Wünschen und Anliegen der rat- und trostsuchenden Dorfbewohner.
Ich stand jedenfalls durchaus respektvoll vor einer, auf einem hübsch dekorierten Holzstuhl, in einem noch hübscher dekorierten Raum, gefüllt von Anmut, Würde und Nebelschwaden von Weihrauch, sitzenden, schwarzen Schaufensterpuppe. Bekleidet mit Jogginghose, weißem Hemd, einer Khaki-Weste, schwarzer Krawatte, abenteuerlicher Jacke, weißer Handschuhe, schwarzer großer Sonnenbrille, schwarzem Clubwear-Hut und erst mit einem roten Schal verdeckten Mund, erinnerte mich San Simon an einen weltbekannten Popmusiker. Die Angehörigen der ganzen Familie betraten der Reihe nach den nur für ihn hübsch hergerichteten Raum, küssten seine Hand, klopften ihm auf die Schulter und flüsterten ihm ihre Belange in sein Ohr. Meist wurde er dann samt Stuhl zurück gekippt und es wurde ihm vorsichtig eine ganze Flasche Rum in seinen Mund eingeflößt. Danach bekam der Liebe noch eine dicke Zigarre in diesen gelegt. Seine liebsten Opfergaben waren eben Zigarren und starker Alkohol, abgesehen von den zahlreichen Kerzen, Blumen und mir nicht bekannten, weiteren Opfergaben zu seinen Füßen.

Am letzten Tag meines Guatemala-Aufenthaltes landete ich in der Ciudad de Guatemala. Ein absurdes Gefühl in Mitten der versmogten, hektischen Millionenstadt, zwischen amerikanischer Fastfood-Ketten und modernen Einkaufszentren, Indigenas und Straßenverkäufern.