Angekommen

Der letzte Mittwoch und heute waren wohl die letzten entscheidenden Tage die noch gefehlt haben, dass ich mich wirklich so fühle als wäre ich endlich angekommen.
Am Mittwoch kam meine eigene private AFS-Ansprechpartnerin, die mir zugeteilt wurde, zu mir nach Hause und wir haben uns zusammen mit meiner Gastmutter und einem anderen AFS-Mitarbeiter der mitgekommen ist über die letzten Wochen unterhalten. Es ging über alles, was sich bisher in meinem Leben verändert hat. Schule, Umgebung, Freunde, Familie, Haushalt, Essen und vieles mehr. Und als wir da so saßen und ich zu jeder Frage eigentlich nur „ja, sehr gut“ oder „alles toll“ antworten konnte, viel mir auf, dass ich nichts zu beklagen hatte. Ich fand alles hier toll und konnte an keiner Sache etwas negatives finden. Ich bemerkte das erste Mal wie wohl ich mich hier wirklich fühle. Natürlich gibt es Sachen, die ich vermisse, mal abgesehen von meiner Familie und meinen Freunden. Z.B. ein Fenster. In meinem Zimmer und auch in den anderen Schlafzimmern, gibt es keine einziges Fenster, außer an der Decke, damit ein bisschen Luft hineinströmen kann. Ich vermisse es aus einem Fester in die Natur oder einfach nur nach Draußen sehen zu können. Ich vermisse Tee und gutes deutsches Vollkornbrot. Aber daran kann ich mich für ein Jahr dran gewöhnen. Und außer diesen paar Kleinigkeiten finde ich es wirklich toll hier.

Heute war ich das erste Mal beim TaeKwonDo-Training und es hat mir unglaublich viel Spaß gemacht. Ich habe den Sport vermisst und habe mich heute wirklich angestrengt. Ich habe endlich gemerkt, dass es der Sport für mich ist. Ich liebe es einfach. Alle dort waren sehr nett und wir haben uns kurz zusammen unterhalten. Woher ich bin, ob ich in Deutschland auch TaeKwonDo gemacht habe, welchen Gürtel ich habe, wo ich Spanisch sprechen gelernt habe, wo ich hier wohne, wie lange ich bleibe, auf welche Schule ich hier gehe etc. Sie waren alle sehr freundlich und haben sich gefreut, wenn ich mit ihnen geredet habe. Das Training dauert hier leider nur 1 Stunde, die aber komplett ausreichend war. Erst kurze Aufwärmung, dann kurze Rennübungen und dann nur noch Pratschentraining. Ich habe mich gefragt ob das jetzt jedes Training so geht, aber mein neuer Trainer meinte, dass sie auch viel Poomsaentraining machen. Darauf freue ich mich schon, auch um zu sehen wie gut die hier so sind.
Meine eine Gastschwester hatte mich zum Fitnessstudio gebracht und dort auf mich gewartet. Auf dem nach Hause weg ist mir aufgefallen, wie gut ich mich mit ihr unterhalten konnte. Noch nicht über tiefgreifende Themen, aber jede Frage und Antwort ging mir flüssig über die Lippen. WIr redeten den ganzen Weg nach Hause und es macht mir wirklich Spaß zu reden. Als wir dann zu Hause waren und ein paar Freunde oder Verwandte (ich bekomm das nicht auf die Reihe mit allen Freunden und Verwandten, die ich anscheinend bereits kennengelernt habe) zu Besuch waren und die eine sagte, wie gut ich schon alles verstehen würde, war ich komplett glücklich. Mir ist aufgefallen, dass es mir sehr gefällt auf Spanisch zu reden und dass mir alles schon viel leichter fällt. Außerdem fange ich an mir typische Wörter anzugewöhnen, die hier üblich sind. „Chau“(bzw. Tschau), benutz man hier immer für Tschüs, statt „adiós“; „Adiós“ benutzt man für Fremde oder Leute denen man häufiger auf der Straße begegnet um sie zu Grüßen; „Diay“ sagt man um Hallo zu sagen; “ Mae“ ist eher für Jugendliche und bedeutet sowas wie „Hey Kumpel“ oder „Hey Alter; „Plata“ bedeutet hier Geld; hier sagt man „vos“ statt „tú“ (du). Es gibt noch weitere übliche Redewendungen, aber die muss ich erst heraushören, verstehen und mir angewöhnen.

Als letztes möchte ich erwähnen, dass ich das erste Mal gedacht habe: „Ich will hier nie wieder weg!“

Freunde

Gestern habe ich mich nach der Schule mit noch anderen aus meiner Klasse bei einer Klassenkameradin getroffen. Wir waren insgesamt 4 Mädchen und 6 Jungs. Sie mussten einen Tanz einüben, den sie im Sportunterricht vorführen müssen. Da ich neu bin und sie mich in den Tanz integrieren wollten, musste ich schnell die Schritte lernen. Ich dachte ich bin total unfähig und steif wenns ums tanzen geht, aber anscheinend habe ich schnell gelernt und meine Tanzschritte waren alle richtig, da sie mich sehr gelobt haben, dass ich so gut und schnell lerne. Es hat sehr viel Spaß gemacht, da wir alle zusammen getanzt und dabei einander ausgelacht haben, da niemand die Schritte wirklich perfekt konnte. Danach sind ein paar aus meiner Klasse mit dem Fahrrad rumgefahren und waren auf ein Mal verschwunden. Eine Freundin und ich wollten sie gerade suchen gehen, als sie um eine Ecke kamen. Aber ein Mädchen fehlte und die anderen erzählten uns, dass sie mit dem Fahrrad hingefallen wäre, da das Fahrrad, dass sie fuhr, keine Bremsen hatte. Und da kam auch schon ihr Vater, der sie mit dem Auto ins Krankenhaus fahren wollte. Ich schaute ins Auto hinein und sah nur meine Kameradin, die sich mit einem Lappen den Kopf hielt. Ihr ganzes T-shirt war voller Blut und sie tat mir unglaublich Leid. Ich bin anschließend noch zu einer anderen Freundin gegangen, da wir noch irgendwas für die Schule machen musste. Wir waren zu viert und mussten einen Dialog für das Fach „Civica“ (Übersetzt heißt das sowas wie „Gesetze von Costa Rica“) schreiben. Danach haben wir Pancakes gemacht und einen Film geguckt. Nach dem Film war es schon dunkel und meine Gastmutter holte mich mit dem Taxi ab. Ich traue mich jetzt schon mehr von meinem Tag zu erzählen und versuche meiner Gastmutter immer, wenn ich nach Hause komme, etwas kleines über meinen Tag zu erzählen. Ich habe sogar ein Gespräch mit dem Taxifahrer angefangen und ihm erzählt, dass es hier sehr schön ist aber sehr unterschiedlich zu Deutschland. Hier freut es die Leute, wenn man sich unterhalten will, auch wenn man sich nicht kennt.
Heute war meine Freundin natürlich nicht in der Schule aber alle anderen Mädchen aus meiner Klasse und ich wollten sie nach der Schule zu Hause überraschen. Wir haben ihr Schokolade gekauft und ihr einen kleinen Brief geschrieben. Sie hat sich sehr gefreut als wir alle in ihr Zimmer plazten und ihre Mutter hat uns Keckse und Cola gebracht. Ihre ganze rechte Gesichtshälfte war geschwollen, besonders ihr Auge. Es war so geschwollen, dass man nur einen kleinen schlitz ihres Auges sehen konnte. Außerdem hatte sie überall, auch auf der Schulter, Schrammen und Kratzer. Sie sah sehr schlimm aus und sie konnte sich nicht mehr an den Unfall erinnern. Sie wird wahrscheinlich die nächsten Tage auch nicht in die Schule gehen, was wirklich gut ist.

Heute hatte ich das erste Mal Englischunterricht und es war sehr einfach. Die Lehrerin sprach sogar wirklich gutes Englisch, aber meine Klassenkameraden umso weniger. Sie haben eine Arbeit zurückbekommen und ich habe sie mir angeguckt. Es waren nur Ankreuzaufgaben. Sie sollten einen kurzen Text lesen und dann die richtigen Kreuze zu den Fragen beantworten. In meinem letzten Post habe ich geschrieben, dass manche Fächer anspruchsvoller sind, als in Berlin. Damit meinte ich nicht direkt anspruchsvoller, sondern dass sie in diesem Fach mehr behandeln. Z.B. in Geschichte. Sie bahandeln gerade den kalten Krieg, den Mauerbau in Deutschland und den 2. Weltkrieg und ich hab das Gefühl, dass meine Kameraden mehr über deutsche Geschichte wissen als ich. Sie behandeln in einer Stunde das, was wir in Berlin über mehrer Stunden verteilt behandelt hätten.
In den meisten andere Stunden sitze ich wirklich nur nutzlos herum, da alle irgendwie mit sich beschäftigt sind und der Lehrer auch nur an seinem Tisch sitzt und nichts tut. Aber wenn dann die Termine für die Arbeiten angesagt werden und das was dran kommt, ist das wirklich viel. Das waren manchmal 20  oder mehr Seiten in einem Buch über mehrer Themen gleichzeitig. Und das fande ich schon ein bisschen erstaunlich und viel.

Ich habe mich jedenfalls ein bisschen eingelebt, auch wenn ich so manche schwierige Morgende habe. Am Abend bin ich meisten sehr glücklich und habe den Tag genossen und lächle die ganze Zeit.

Wochenende

Am Wochenende ist nicht viel passiert. Am Samstag haben wir meinem Gastvater bei einem Fahrradrennen zugeguckt und ihn angefeuert, als er an uns vorbeifuhr. Er ist unter den Besten, obwohl die Fahrradfahrer ziemlich gefordert werden bei den Bergen die es hier gibt. Danach habe ich mir die Taekwondo-Stunden angeschaut und werde ab nächste Woche damit anfangen. Für 10 Monate 2 Mal in der Woche Training und 2 Mal Fitnessstudio bezahle ich 260 Euro. Das ist ziemlich preiswert für dieses Angebot und ich freue mich sehr, dass ich diese Sportart hier weiter ausüben kann. Am Abend waren wir auf einem Geburtstag von irgendeinem Cousin. Wir saßen zu 20 in einem Raum, haben eine Kindersendung geguckt, geredet und haben gegessen. Es gab zuerst ein normales Abendessen für alle und danach Kuchen. Hier braucht man keine große Party mit viel drum und dran, um seinen Geburtstag zu feiern. Es reicht eine kleine Feier unter den engsten Freunden und Verwandten. Alle schienen zufrieden und es war eine liebevolle Runde.
Auch heute haben wir meinem Gastvater bei einem weiteren Rennen zugeschaut und sind mit dem Auto neben ihm hergefahren, während mein Gastbruder und seine Freunde ihn angefeuert haben. Wir begleiteten ihn bis zur Ziellinie und fuhren dann nach Hause. Gerade sind wir von einem weiteren Kindergeburtstag wiedergekommen. Diesmal waren mehr Leute da. Die Erwachsenen saßen auf Stühlen und Bänken an den Wänden, es lief laute Musik und die kleinen Kinder, hauptsächlich Mädchen, tanzten in der Mitte zur Musik. Derweil wurden wir mit Essen bedient. Nachos mit Dip, ein warmes Abendessen, Eis und am Ende noch Kuchen. Ich bin fast geplatzt. Zwischendurch gab es eine Piñata. Alle prügelten sich förmlich um die Süßigkeiten, aber am Ende hatten beinahe alle gleich viel. Als der Kuchen reingetragen wurde, haben alle gesungen und das Mädchen, dass Geburtstag hatte, blies die Kerzen aus. Die Kerzen fingen aber immer wieder an zu brennen und das Mädchen war total verwundert. Es freute sich aber riesig, alle um sich zu haben und im Mittelpunkt zu stehen und es wurden viele Fotos gemacht.

Morgen ist wieder Schule und ich muss mit 3 meiner Klassenkameradinnen einen Kurzvortrag über Persönlichkeitsstörung, spezifiziert auf Schizophrenie halten. Manche Fächer sind hier wirklich anspruchsvoller, als auf meiner Schule in Berlin. Das hätte ich niemals gedacht, denn auch die anderen Schüler aus Deutschland, die in Costa Rica sind und mit denen ich in einer Whatsappgruppe bin, sagen, dass die Schule bei ihnen so anspruchsvoll ist als wären sie in der 8. Klasse. Trotzdem freue ich mich auf die Schule und morgen bin ich ja auch nach der Schule mit den Mädchen aus meiner Klasse verabredet.

Mut

Dieser Abend war wohl der beste Abend der mir passieren konnte. Ich habe durch ihn so viel Mut bekommen wie von niemand anderem sonst. Es war ein Treffen mit dem AFS-Komitee von Paraíso und allen Austauschschülern, die hier oder in der Umgebung wohnen. Es kamen natürlich die Austauschschüler die ich schon kannte und die auch auf meine Schule hier gehen, alle Ansprechpartner der Austauschschüler, der Deutsche, der seine Gastfamilie hier besucht, eine Deutsche, die ich gestern bei der Infoverantstaltung kennengelernt habe und die hier arbeitet (sie hilft jüngeren Kindern und Jugentlichen in der Schule und betreut sie). Aber ich habe auch neue Leute kennengelernt. Es waren 2 Schüler aus Japan und ein Schüler aus Frankreich, die schon im Februar in Costa Rica angekommen sind. Sie haben sich vorgestellt und ein bischen von sich erzählt. Wie sie sich eingelebt haben, wie es ihnen geht und so weiter. Wir haben alle zusammen zu Abend gegessen und viel geredet. Und als ich so mit den neuen Gesichtern ins Gespräch kam, wurde mir bewusst wie gut sie Spanisch sprechen und wie wohl und glücklich sie sich hier fühlen. Ich konnte gar nicht mehr aufhören zu lächeln, selbst auf dem Nachhauseweg nicht. Sie sahen alle so verdammt froh aus, dass ich mich einfach dem Gefühl hingab und es genoß fröhlich zu sein. Ich habe sogar das erste Mal seit ich hier bin wirklich gelacht. Alle waren in so einer guten Stimmung, dass man gar nicht anders konnte als die ganze Zeit zu grinsen. Es wurden Scherze gemacht und alle haben geredet, ob sie nun Spanisch sprachen oder Englisch oder ein Mix daraus. Ich habe die Austauschschüler die schon länger hier sind viel gefragt, z.B. wie sie sich in den ersten Wochen gefühlt haben und es ging ihnen genauso wie mir. Manchen weniger, manchen mehr. Ich habe so viel Erfahren, dass ich glaube, dass ich ab heute mein Leben hier wirklich genießen kann.
Natürlich habe ich in den Gesichtern der Austauschschüler die schon seit Februar hier sind, auch Angst und Traurigkeit gesehen. Und auch mein Gefühl fängt an die Seite zu wechseln. Ich kann mir jetzt schon vorstellen, auch jetzt mehr durch diesen wunderbaren Abend, wie es sein wird, wenn mein Rückflug immer näher rücken wird. Ich werde das Gefühl haben, zu wenig Zeit gehabt zu haben, um meinen Freunden und meiner Familie alles weiter zu geben, was ich aus Deutschland kenne und es wird eine Leere entstehen, wenn ich zurück in Deutschland sein werde. Die Leute sind hier so anders und das merke ich schon nach diesen 2 Wochen. Fröhlich, ausgelassen und zufrieden mit dem was sie haben. Sie leben ihr Leben und genießen jeden Moment den sie auf dieser Erde haben, denn ihnen ist bewusst, dass sie nur dieses eine Leben haben. Ich schaue jeden Tag in die Gesichter von den Leuten denen ich begegne und von denen die ich schon kenne und bin jetzt schon unfassbar traurig, dass ich nur ein Jahr Zeit habe, diese wunderbare Kultur und diese andere Mentalität der Menschen kennenzulernen und weiß jetzt schon, dass wenn ich zurück in Deutschland bin, nur noch zurück nach Costa Rica werden wollen, da mir die Art der Menschen hier um ein vielfaches besser gefällt, als die Art der Deutschen. Alle sind glücklich und akzeptieren einen so wie man ist. Alle sind nett zueinander, auch wenn man sich nicht kennt und es gibt trotzdem herzliche Küsse und Umarmungen.
Auch als ich zu Hause ankam, war ich noch von den Gefühlen erfüllt, die ich an dem Abend gespürt hatte und nutze diese Gelegenheit und meinen neuen Mut, um mit meiner Familie zu reden. Ich habe ihnen erzählt, dass ich es schade finde, dass ich noch nicht so viel reden kann und dass ich eigentlich viel zu sagen habe und sie haben mich beruhigt und mir gesagt, dass ich in 2 Monaten so schnell und flüssig reden kann wie sie. Danach saßen wir einfach nur auf dem Bett meiner Gasteltern, haben geredet und gelacht und haben nebenbei einen spanischen Film geguckt.
An diesem Abend war ich das aller erste Mal  wirklich wirklich glücklich, diesen großen Schritt gegangen zu sein und versuche jetzt dieses Gefühl für immer fest zu halten.

Tage

Als ich heute Morgen aufgewacht bin habe ich sehr gegen das aufkommende Gefühl, dass ich auch die letzten Tage hatte, angekämpft. Ich sagte mir in meinem Kopf, dass sich in Deutschland nicht viel verändern wird, in der Zeit die ich weg bin und das ich hier die beste Zeit meines Lebens haben werde. Und es hat geholfen. Ich murmelte es so oft bis ich aufstand, mich fertig machte und in die Schule ging. Danach hatte ich eh zu viel im Kopf. Alle Fragen zu beantworten die mir gestellt wurden und versuchen den Unterricht zu verstehen.

Heute hatte ich nämlich das erste Mal einen langen bzw. normalen Schultag. Ich habe mich sogar für nächste Woche Montag mit den Mädchen aus meiner Klasse verabredet. Wir werden zu einer von ihnen gehen und dort einen Film gucken. Außerdem planen wir nächste Woche Samstag schwimmen zu gehen. Ich finde es großartig wie sie mich integrieren und freue mich schon riesig auf die Zeit, in der ich mich eingelebt habe, fließend sprechen kann und einfach nur mein Leben hier genießen kann.
Bisher war in der Schule noch nicht viel los. In den Stunden die ich bereits hatte, haben wir wirklich nichts gemacht. Die ganze Klasse saß einfach nur im Klassenraum und hat sich irgendwie beschäftigt. Für mich ist das nicht weiter schlimm.
Immer wenn ich mit meinen Kameradinnen zusammensitze, möchte ich soviel über mich und mein Land erzählen und auch wenn ich mit meiner Familie zusammensitze habe ich den Drang von mir und meinem Leben zu berichten. Aber noch funktioniert das nicht wirklich. Die meisten Fragen beantworte ich nur mit ja oder nein und wenn ich mal mehr sagen will, muss ich davor mir das, was ich sagen will genau überlegen, damit ein halbwegs verständlicher und vollständiger Satz rauskommt. Ich denke dann immer, dass ich Spanisch nie lernen werde, aber dabei vergesse ich, dass ich erst knapp 2 Wochen hier bin und das alles noch wird.Wenn wir also in unserer Gruppe sitzen, sehe ich in jedem neuen Gesicht eine werdende Freundin und bin manchmal schon dann traurig, dass ich nur 1 Jahr Zeit habe, um sie alle kennen zu lernen. Ich werde nur dieses Jahr Zeit haben um diese Freundschaften aufzubauen und will nicht daran denken, dass ich sie nach dem Jahr nie wieder sehen werde.

Morgen ist eine Infoverantstaltung von AFS zu der ich Informationen zu Deutschland raussuchen soll, um Eltern zu animieren einen Gastschüler aus meinem Land aufzunehmen. Ich habe 2 Seiten gestaltet mit allgemeinen Infos zu Deutschland, typischem Essen, ein paar Bildern zur Landschaft und eine Liste mit Vorurteilen, die häufig vorkommen, wenn Menschen an Deutschland denken. Übermorgen muss ich diese Informationen auch in der Schule irgendwie vorstellen, aber dazu werde ich mich nochmal erkundigen.

In den nächsten Tagen werden meine Gastmutter und ich mich bei Taekwondo anmelden und ich bin so froh, dass es hier die Möglichkeit gibt, diese Sportart zu machen. Ich werde nicht nur endlich wieder Sport machen, sondern auch ein bisschen Alltag aus meinem Leben in Deutschland hierher bringen. Außerdem verlerne ich nicht das, was ich die letzten Jahre beim Training gelernt habe und kann, wenn ich zurückkomme, vielleicht endlich den schwarzen Gürtel machen.

Alles in allem geht es mir von Tag zu Tag besser, auch wenn manchmal Tiefpunkte auftreten und ich freue mich auf dieses Leben in diesem Jahr.

Schule!

Heute war ich das erste Mal in der Schule. Ich musste um 6 aufstehen, da hier die Schule schon um 7 anfängt. Ich machte das, was ich jeden Morgen machte und ging los. Ich wusste nicht wo der Raum war in dem ich Unterricht hatte und fragte nach. Als ich dort ankam war noch niemand im Klassenraum, obwohl es schon 10 vor war. Langsam kamen die ersten Leute und ich setzte mich auch auf einen Platz. Die Tische und Stühle in Costa Rica sind anders als in Deutschland. Es sind einzelne Sitzplätze und die Stühle sind sozusagen mit den Tischen verbunden. Was mir dabei aufgefallen ist, ist dass es nur Armlehnen auf der rechten Seite gab und keine auf der linken. Was ist wenn jetzt jemand Linkshänder ist? Es kamen zwei Mädchen in den Klassenraum und sie begrüßten mich und fragten mich ein paar Sachen über mich. Es kamen mehr und mehr und alle begrüßten mich. Als der Unterricht begann, saßen alle Mädchen auf einer Seite des Klassenraums und alle Jungs auf der anderen. Die Lehrerin bat eine Schülerin mich vorzustellen und der Unterricht begann. Während die Lehrerin redete bemerkte ich, dass die halbe Klasse redete, Musik hörte oder am Handy spielte. Aber die Lehrerin redete trotzdem weiter. Sie erzählte auch, was in der Arbeit dran kommen würde und gab uns zur nächsten Woche eine Gruppenpräsentation auf. In der Pause liefen wir alle die Gänge entlang und die Mädchen zeigten mir verschiedene Räume, in denen wir in den nächten Tage unterrichtet werden. Auch in der nächsten Schulstunde ging es nur um eine bevorstehende Arbeit, dann viel eine Stunde aus und in der nächten, Chemie, konnte ich sogar mitarbeiten. Es ging darum, auszurechnen, wie viel ein bestimmtes Molekül wiegt. Dazu musste man nur die einzelnen Massen der verschiedenen Atome zusammenrechnen und ich war nach ein paar Minuten mit den Aufgaben fertig. Nach Chemie konnte ich nach Hause, da heute der einzige Tag ist, an dem ich nur bis 11 Uhr Schule habe. Sonst geht sie bis halb 5.
Gestern habe ich mich noch auf die Schule gefreut. Ich lerne endlich wieder was und habe etwas zu tun. Aber jetzt habe ich Angst, dass ich den ganzen Stoff, den sie hier gerade behandeln schon in Deutschland behandelt habe und dass ich über das Jahr hinweg vieles vergesse, dass in der 11. wieder wichtig wird. Für viele wäre das vielleicht entspannend. Ein Jahr keine richtige Schule und sich einfach zurücklehnen, aber wenn es in der 11. in Deutschland wieder weitergeht, habe ich ein Jahr ausgesetzt und bin aus dem Stoff raus. Und das einzige Fach in dem ich dann gut sein werde wird Spanisch sein.

Ich sitze gerade in meinem Zimmer zu Hause und habe glaube ich eine Tiefphase. Ich denke nur noch an zu Hause und stelle mir vor, was ich jetzt alles dort machen könnte. Hier ist es nicht üblich sich außerhalb der Schule mit Schulfreunden zu treffen. Und zu Hause macht man auch nichts gemeinsam, außer am Wochenende mal wegfahren. Alle sind hier mit sich beschäftigt und ich versuche mich mit meinem Laptop zu beschäftigen. Ich habe es satt, Tag für Tag in meinem Zimmer zu sitzen und nichts zu tun, außer mir auf Youtube sinnlose Videos anzuschauen. Auch jetzt, wo Schule angefangen hat, habe ich nichts zu tun. Hausaufgaben sind nicht viele und die meisten muss ich sowieso nicht machen, da ich noch nicht viel verstehe. Zu Hause könnte ich mich mit Freunden treffen, raus gehen, bei meiner Familie sein. Alles andere als hier. Ich hoffe trotzdem, dass ich das alles aushalten, auch wenn ich jetzt in dem Moment nur noch hier weg will und mir vorstelle, wie es wäre, das Jahr abzubrechen. Ich muss das durchhalten!

„Aguas quentes“

Am Samstag war ich mit meiner Gastschwester joggen und es war das anstrengendste Training das ich je hatte. Ich bin es nicht gewöhnt Berge rauf und runter zu joggen und meistens jogge ich auch Abends und nicht in der Mittagshitze. Eigentlich habe ich die Hitze der Sonne nicht wirklich gespürt, aber am Abend hatte ich einen sehr dollen Sonnenbrand, der heute immer noch weh tut. Am Abend sind meine Gastschwestern, ein paar Freunde von ihnen und ich auf einen nahegelegenen Rummel gefahren. Es gab nicht viele Geräte, aber ich glaube es war zu Deutschland vergleichsweise billig. Wir bezahlten 1000 Colones (1,40 Euro) für eine Fahrt. Die Sicherheitsbedingungen waren sehr grenzwertig. Auf der Piratenschiffsschaukel konnte man die Stange, die zur Sicherheit runtergeklappt wurde, auf der Fahrt wieder aufklappen und auf einer sich drehenden und hüpfenden Scheibe gab es keine Sicherheitsgurte, sondern man musste sich an einer Stange hinter sich festhalten. Dazu waren die Hüpfbewegungen so stark, dass die Füße hochgeschleudert wurden und man viel Kraft aufwenden musste um sitzen bleiben zu können. Meine Gastschwestern hatten am nächsten Tag sogar viele blaue Flecken. Am Sonntag wurde ich um 3 Uhr früh geweckt, da wir zu warmen, vulkanischen Quellen fahren wollten. Auf dem Weg hielten wir an mehreren schönen Parks um Fotos zu machen und um etwas zu essen. Am Tag zuvor hatte meine Gastfamilie erwähnt, dass der Vater am Sonntag mit dem Fahrrad fahren würde, aber ich verstand nicht wann und wo. Als wir ein weiteres Mal hielten sah ich viele Fahrradfahrer und mein Gastvater holte sein Fahrrad aus dem Kofferraum und zog sich Sportsachen an. Ich verstand dann erst, dass er ein Rennen fahren würde, aber mir war noch nicht klar, dass wir auf ihn warten müssten und auch noch nicht wie lange. Ich fragte nach und es hieß, dass wir 3 Stunden warten müssten. Ich war aber eh noch totmüde, da wir so früh aufgestanden sind und versuchte ein bisschen zu schlafen. Als es dann endlich weiterging bekam ich hunger, da ich noch nicht viel an dem Tag gegessen hatte und es schon 13 Uhr war. Wir hielten an einem Restaurant mit dem Namen „Leguan“ um ein Eis zu essen und meine Gastfamilie erzählte mir, dass das Restaurant so hieße, da es hier viele Leguane zu sehen gibt. Ich habe tatsächlich 8 Leguane in verschiedenen Größen und Farben gesehen, die sich in der Nähe des Restaurants aufhielten. Ich machte ein paar Fotos und es ging weiter. Wir hielten ein letztes Mal auf der Fahrt um Mittag zu essen und als wir weiterfuhren fing es an zu regnen. Da es aber Nachmittag war und den ganzen Tag schon die Sonner geschienen hatte, war es warmer angenehmer Regen. Um 14 Uhr kamen wir endlich am Ziel an. Es war anders als ich es mir vorgestellt hatte. Es war kein stiller Ort mitten im Wald an dem man alles vergessen konnte und an dem es so ruhig war, dass man jedes kleinste Geräusch hätte hören können, sondern eine Art Fluss unter einer Brücke hindurch. Es gab zwei „Becken“, die sehr Flach waren (ca. 80 cm tief an der tiefsten Stelle). Eins auf der einen Seite der Brücke, eins auf der anderen. An den Stellen wo das Wasser des Flusses in diese Becken floß, entstand ein kleiner Wasserfall und wenn man sich traute durch den Wasserfall und unter dem Rand hindurch zu tauchen, kam man in eine kleine Höle die sehr dunkel war. Wir blieben ungefähr eine Stunde, da wir noch den 5-stündigen Heimweg vor uns hatten. Ich war wieder sehr müde, aber da der Fahrstil meines Gastvaters, und auch von den meisten Lateinamerikanern, sehr gewöhnungsbedürftig ist, konnte ich nicht wiklich schlafen. Zu den Straßen, die voller Schlaglöcher und unebenen Stellen war, fuhr er so schnell, dass er in Deutschland zwei Mal den Führerschein abgeben müsste, und bretterte einfach über die Straßenunebenheiten. Mein Kopf knallte also jede 2 Sekunden an die Fensterscheibe und ich dachte, dass ich eine Gehirnerschütterung bekomme. Als die Müdigkeit nach 4 Stunden etwas nachlies bewunderte ich die untergehende Sonne. Sie tauchte den Himmel und die Wolken in rote und rosane Farben und ich beobachtete wie die Farben immer blasser wurden, bis der Himmel letztendlich ganz dunkel wurde. Als ich die Augen wieder schließen wollte, fuhren wir grade einen kleinen Berg runter und ich konnte  verschiedene Städte in der Ferne sehen. Aber ich sah keine Häuser mehr, sondern ein Meer aus funkelnden Sternen. Alles glitzerte und ich war für diesen Augenblick sehr glücklich.

Día da madre

Meine Familie, das kann ich immer nur wiederholen, ist sehr nett. Was mir aber auffällt ist, dass meine Familie offensichtlich nichts von Recycling und umweltbewussten Verhalten versteht. Wenn ich mit meiner Gastmutter einkaufen gehe, braucht sie immer 2 Platiktüten, auch wenn es nicht viel ist was wir eingekauft haben und es locker in eine gepasst hätte, um die Einkäufe zu verstauen. Zu Hause wirft sie sie aber direkt weg, anstatt sie nochmals zu benutzen. Als ich meiner Gastmutter gestern half das Mittagessen vorzubereiten,  wusch ich den Salat und sie sagte mir, dass ich alle Blätter die nur ein bisschen braun waren und ein paar Flecken hatten auszusortieren. Ich fragte mich warum und als ich fertig war warf sie die aussortierten Salatblätter einfach weg, obwohl man die noch hätte essen können. Aber warum? Eines Tages, wenn ich besser Spanisch sprechen kann, werde ich sie fragen.

Gestern war der Geburtstag von einer meiner Gastschwestern. Ich hatte nur Zeit ihr kurz zu gratulieren, dann musste sie schon in die Schule. Ich sah keine Geschenke und keinen Kuchen. Nichts. Auch als sie nach Hause kam, nichts. Am Abend aber, haben wir (der Rest der Familie) einen Kuchen für sie gekauft, aber da ich einen Migräneanfall hatte, war ich nicht dabei, als sie gesungen haben und ihn gegessen haben. Ich frage mich ob sie dann dort geschenke bekommen habe, aber bisher habe ich noch nichts gesehen. Bekommt man hier nichts zum Geburtstag oder bin ich einfach nur blind?
Heute ist Muttertag (día da madre) und der Geburtstag von meiner kleinen Schwester in Berlin. Meine Gastschwestern und ich haben unserer Mutter gestern schon Blumen geschenkt, da die Läden heute nicht auf haben, weil Muttertag hier als Feiertag gilt. IIch habe gestern Abend mit meiner Schwester und meinem Vater geskypt und wir haben gewartet, bis es in Deutschland 00:00 geworden ist, damit ich ihr schon gratulieren konnte. In dem Moment war ich unglaublich traurig, dass ich nicht bei ihr sein und sie nicht in den Arm nehmen konnte. Ich war den ganzen Abend über noch ein bisschen traurig, doch als ich Migräne bekam ging ich früh ins Bett und dachte nicht mehr daran.
Morgens ist das Gefühl, dass ich nach Hause zu meiner Familie will am stärksten. Ich liege im Bett und bin mit meinen Gedanken ganz alleine. Ich stelle mir meinen kleinen Bruder vor und das ich eine sehr wichtige Entwicklungsphase verpasse. Ich denke an die Schule, die hier so einfach ist und das ich nach dem Jahr in der Schule zurückhängen werde. Ich denke an das Essen, dass hier so anders ist. Es gibt zum Frühstück Kaffee mit sehr viel Zucker und ein ungetoastetes Weißstoast mit Butter. Zum Mittagessen kocht meine Gastmutter immer frisch, aber es gab bisher nur Fleisch. Nudeln mit Fleisch, Kartoffeln mit Fleisch, Reis mit Fleisch und heute gibt es Suppe mit Fleisch. Danach gibt es manchmal Früchte. Hier isst man kein richtiges Abendbrot, sondern es gibt so um 17:00-18:00 wieder Kaffee und ein Weißtoast. Auch wenn ich satt werde, obwohl ich sonst immer viel mehr esse, vermisse ich ein richtiges Vollkornbrot mit richtigem Aufschnitt. Ich denke an vieles morgens und fühle mich sehr alleine und wiederstandslos. Ich stelle mir auch häufig die Frage, was dieses Jahr wirklich bringt. Am Anfang hat man es schwer und vermisst sein Zuhause, in der Mitte hat man mal eine sehr fantastische Zeit, da man sich eingelebt hat, Freunde gefunden hat und viele neue Sachen erlebt und am Ende ist man sehr traurig, dass man das alles zurücklassen muss und nicht weiß ob man seine Familie hier jemals wiedersehen wird. Außerdem hängt man danach im Schulstoff  zurück und muss sowieso die 11. Klasse wiederholen. Wenn ich dann aber die Wahl gestellt bekommen würde mach Hause zu fahren oder hier zu bleiben würde ich trotzdem hier bleiben wollen und ich sage mir auch immer wieder, dass ich das schaffen werde und dass ich stark bleiben muss. Ich weiß, dass das Auslandsjahr mir viel mehr bringen wird, als das was ich glaube zu verpassen. Natürlich weiß ich noch nicht was es mir genau bringen wird, aber ich bekomme immer wieder gesagt, dass man seine Familie und das Leben in Deutschland mehr schätzen lernt und sich seine Denkweise in vielen Hinsichten verändert. Und obwohl ich erst eine Woche hier bin, habe ich schon vieles gelernt. Die Leute achten hier nicht so aufs Aussehen wie ich es in Berlin gewohnt bin. Hier ist es nur wichtig, dass man sich pflegt und jeden Tag duscht. Außerdem akzeptiert man hier jeden so wie er ist und ich bin froh, dass ich diesen Schritt gewagt habe und zwinge mich dazu durch zu halten.
So ging es mir bisher jeden Morgen. Es liegt daran, dass ich morgens ganz für mich bin, denn wenn ich aufstehe, habe ich etwas zu tun und lebe im Jetzt und denke nur an die nächsten Stunden und Tage.

Langsam habe ich das Gefühl, dass ich die Hälfte des Dorfes kenne. Jeden Tag kommt mindestens ein Person bei meiner Familie vorbei, die ich noch nicht kenne und auch auf der Straße werde ich jedem vorgestellt, den die Familie kennt. Verwandte, Freunde, Bekannte, Nachbarn und sogar ein Taxifahrer, der anscheinend mit meiner Familie befreundet ist. „Das ist Lana. Sie wohnt ein Jahr bei mir. Sie macht ein Auslandsjahr mit einer Organisation. Sie ist Deutsche. Sie wird hier auch zur Schule gehen.“ So lautet der Text, den meine Gastmutter meisten verwendet um mich bekannt zu machen. Und ich nicke dabei immer hofflich, lächle und sage Hallo.

Am Wochenende fahren wir nach San Carlos. Die Stadt liegt im Nordosten an der Grenze zu Nicaragua und wir fahren dorthin um in warmen Erdwasser, dass von einem naheliegenden Vulkan kommt, zu baden. In Brasilien gab es sowas und ich freue mich sehr darauf meine Erinnerungen aufzufrischen. In Brasilien sind wir immer Abends zu den „Aguas quentes“ (heißen Quellen) gefahren. Es war dunkel und man musste noch durch ein Stück Wald gehen um zu ihnen zu gelangen. Anschließend musste man sich schnell umziehen oder ausziehen, je nachdem ob man schon Schwimmsachen an hatte oder nicht, und ins warme Wasser springen, damit man nicht von den Mücken zerstochen wurde. Es war das schönste Gefühl, dass ich jemals gespürt habe. Du liegst im warmen Quellwasser, hast die Augen zu und hörst nur das zirpen der Grillen, das quaken der Frösche und Kröten und den Wind in den Bäumen. Wenn du dann die Augen auf machst siehst du den schönsten und deutlichsten Sternenhimmel, den du je gesehen hast.
Wir werden aber am Tag hinfahren, aber ich glaube es wird auch außergewöhnlich schön werden.

Schule?

Ich dachte, ich muss heute in die Schule aber dem war nicht so. Wir mussten nur zur Schule um mich anzumelden und meine Schuluniform zu besorgen. Zwei AFS-Austauschschülerinnen aus Italien und ein Austauschschüler aus Schweden gehen auch auf meine Schule und wir haben uns alle samt Familien vor der Schule getroffen. Wir mussten alle zur Direktorin, um unseren Stundenplan durchzugehen. Wir sind leider alle in verschiedenen Klassen. Ich werde in die 10-4 gehen. 10 zeigt die Klassenstufe an (in Costa Rica gibt es nur 11 Jahre) und die Zahlen danach die verschiedenen Klassen, die es in einer Jahrgangsstufe gibt.
Am Haupteingang haben wir einen anderen AFS-Austauschschüler getroffen, der hier schon im Auslandsjahr war und jetzt zurückgekommen ist, um seine Gastfamilie zu besuchen. Wie sich herausstellte, war er auch Deutscher und das freute mich, auch wenn er im September wieder abreisen wird.
Mir wurde außerdem eine Ansprechperson zugeteilt, die ich heute auch kennengelernt habe. Es ist ein sehr netter Mann und anscheinend habe ich sehr traurig geguckt, als wir in der Schule waren, denn er meinte zu mir, dass ich das alles schon hinkriege und dass alle hier super nett sind. Das rührte mich auf eine Art und ich hatte Tränen in den Augen, die ich aber direkt aufhielt herunter zu laufen.
Verschiedene AFS-Mitarbeiter, unter anderem auch mein Ansprechparter, zeigten uns dann die Schule und der Junge aus Deutschland begleitete uns. Wir sollten alle unseren Klassen vorgestellt werden aber meine war heute nicht da. Deswegen muss ich morgen nochmal zur Schule, damit ich auch meine Klasse kennenlerne.
Und nächste Woche gehen wir 4 endlich das erste mal zur Schule und wie schon erwähnt, bin ich sehr aufgeregt. Diese Woche haben wir deswegen keine Schule, da alle Schüler diese Woche alle Arbeiten schreiben und kein normaler Unterricht stattfindet. Am Freitag wäre sowieso frei, da hier Muttertag ist und dies als wichtiger Feiertag gilt.

Gestern haben wir noch die Arbeitsstelle von meinem Gastvater besucht. Er macht anscheinend viele Sachen und unter anderem führt er einen Laden, zu dem wir gefahren sind. Ich durfte mich hinter die Kasse setzen und zuschauen, wie eine Mitarbeiterin (die Tante oder Freudin meiner Familie, ich weiß es nicht genau)  die Kasse bediente. Am Anfang verging die Zeit sehr schnell und ich wunderte mich sogar ein bisschen, dass ich es so lange aushielt. Natürlich gab es einige kleine Konversationen aber die meiste Zeit war ich mit meinen Gedanken allein, lief im Laden rum oder saß einfach hinter der Kasse. Nach 2 Stunden wurde ich müde und die Zeit verging unglaublich langsam. Jedes Mal wenn ich auf die Uhr schaute, waren erst 2 min. vergangen und ich fragte mich, wann wir endlich wieder fahren würden. Irgendwann sagte meine Gastmutter, dass wir in 1 Stunde fahren würden und ich rappelte mich auf, damit ich nicht auf dem Stuhl einschlief. Ich frage mich, warum ich so früh müde werde und so früh aufwache. Dies liegt wahrscheinlich an der Zeitumstellung aber ich gewöhne mich von Tag zu Tag mehr an den neuen Alltag und die Uhrzeiten.
Um 10 waren wir dann endlich zu Hause und ich fiel ins Bett und war sofort weg.

Heute werden wir noch nach Cartago fahren um meine Schuluniform zu vervollständigen und um meine Gastschwestern von der Schule abzuholen, da sie glaube ich heute irgendwelche Noten bekommen die wichtig sind. Und mal sehen, was ich morgen so machen werde. Vielleicht traue ich mich das erste Mal alleine raus und mache einen Spaziergang in die Stadt. Vielleicht mache ich ein paar Fotos von meiner Umgebung. Vielleicht…

Erster Tag in der Gastfamilie

Als ich gestern aufgewacht bin fing mein Herz schneller an zu schlagen. Ich würde meiner Gastfamilie das ertse Mal begegnen. Ich stand auf, ging frühstücken, packte und brachte meine Sachen auf den Parkplatz wo schon verschiedene Busse standen, die uns an verschiedene Orte bringen würden. Als ich im Bus saß war ich ganz ruhig und genoß einfach nur die Landschaft. Landschaft voller Berge, überall Menschen auf den Straßen, die wenn ich ihnen zulächelte zurücklächelten und wunderschöne Friedhöfe. Sie bestanden nur aus weißen großen Grabsteinen und ich sah überall Blumen. Unser Bus hielt in verschiedenen Städten und lies die jeweiligen Leute raus, die dort von ihren Gastfamilien abgeholt wurden. Und aufeinmal, nichmal 10 min. der vorherigen Stadt entfernt, hielten wir schon wieder. Ich sah meine Gastmutter, meine Gastschwestern und meinen Gastbruder und mein Herz machte einen Sprung. Ich hatte nicht gedacht, dass wir so kurz brauchen würden, da zwischen den anderen Stationen immer mehr als 20 min. gelegen haben. Sie hatten mir Blumen gekauft und wir begrüßten uns mit einer Umarmung. Dann fuhren wir mit dem Taxi nach Hause, dass weniger als 5 min. brauchte, da Paraiso eine kleine Stadt ist. Wir kamen an und sie zeigten mir mein Zimmer in dem ein Bett, ein Schrank für meine Klamotten und ein kleines Regal standen. Außerdem hatte sie in Glitzerbuchstaben meinen Namen an die Wand geklebt. Ich räumte meine ganzen Sachen ein, dann zeigten sie mir die Wohnung und wir besuchten ihre Großeltern und Tanten und Onkel, die gleich eine Ecke weiter wohnen. Nachdem wir zu Mittag gegessen hatten ruhten wir uns alle ein bisschen aus. Doch als ich in meinem Zimmer war fühlte ich mich nicht wohl. Ich fühle mit allein, zurückgelassen und unfähig irgendetwas zu tun. Mir liefen ein paar Tränen die Wangen runter und ich beschloss meine Mutter und meine Schwester per Skype an zu rufen. Sie gaben mir ein bisschen Mut und ich legte mich schlafen um endlich zur Ruhe zu kommen. Nachdem ich wieder aufgewacht war, steckte ich ein paar Fotos von meinem kleinen Bruder und meiner Schwester in eine Leiste, die einmal quer durchs mein Zimmer geht. Das Gefühl, dass ich empfunden hatte war weg und ich wünschte mir, dass es nie wieder kommen würde. Es war die schlimmste Empfindung, die ich je gespürt habe. Endlich zu realisieren, dass du auf der anderen Seite der Erde ganz allein auf dich gestellt bist und nichts daran ändern kannst. Du verstehst die Sprache nicht auch wenn du sie in der Schule gelernt hast, da die Leute hier viel schneller reden als man es gewohnt ist und das costarikanische Spanisch sich ein bisschen von spanischen Spanisch unterscheidet. Und Reden klappt noch weniger außer auf Fragen, die du nur halb verstehst entweder „no“ oder „si“ zu antworten.
Nachdem wir uns alle ausgeruht hatten, gingen wir auf ein Straßenfest. Es war mittlerweile dunkel geworden und wir setzten uns an den Straßenrand und hörten die „Bands“ an die hintereinander auf der Straße her gingen. Diese Bands bestanden meistens aus Trompeten, Posaunen, tragbaren Xylophonen, kleinen und großen Trommeln und manchmal gab es sogar Tänzerinnen. Zu dem waren die meisten Musiker sehr jung. Kinder und Jugentliche, die so fantastisch spielten und sich in ihrer Sache so sicher waren, wie ich es bisher nur einmal erlebt hatte.  Es erinnerte mich an die Abende in Brasilien und in diesem Moment vergass ich alles und genoß den Anblick und die Musik und versuchte das Gefühl der Geborgenheit, dass entstand fest zu halten.

 

Am nächsten Tag, also heute, mussten meine Gastschwestern sehr früh aufstehen, da sie zur Schule mussten. Ich musste noch nicht, da ich mit meiner Gastmutter noch zur Bank musste und ein paar Einkäufe erledigen musste. Ich habe das Gefühl, dass ich sogar nach einem Tag schon die Sprache ein bisschen besser verstehe und ich freue mich darauf, jeden Tag mehr zu verstehen und irgendwann genau so schnell sprechen zu können wie alle hier. Heute habe ich meiner Gastmutter schon in Haushalt geholfen. Ich habe das Esszimmer und das Schlafzimmer meiner Gasteltern gefegt, meine Wäsche gewaschen und aufgehangen und nach dem Mittagessen gespült. Da man hier früher aufsteht, d.h. so um 05:30, da die Schule schon um 7 anfängt, isst man auch früher zu Mittag. Ich kann aber etwas später aufstehen, da ich nicht auf die gleiche Schule wie meine Gastschwestern gehe. Ihre Schule ist in Cartago und sie müssen mit dem Bus hinfahren und ich brauche 10 min. von hier zu Fuß. Ein Mädchen aus Italien, die ich auch schon im Camp kennengelernt habe, ist die Gastschülerin von der Tante meiner Familie und sie wird auf die gleiche Schule und ich glaube auch in die selbe Klasse gehen, wie ich. Das gibt mir ein bisschen Hoffnung, dass ich nicht ganz alleine an der neuen Schule bin.
Ich weiß nicht warum, aber wenn meine Gastschwestern von der Schule kommen, werden wir den Vater bei seiner Arbeit besuchen. Er ist sehr nett, fährt jeden Tag mehrere Stunden mit seinem Rennrad und hat viele Tätowierungen.
Und morgen gehe ich das erste Mal zur Schule. Ich bin sehr aufgeregt, da ich nicht weiß was mich erwartet und hoffe, dass ich nicht alzu hoffnungslos aussehe, wenn ich versuche alle Fragen erstmal zu verstehen und dann irgendwie zu beantworten.